Ohne verallgemeinern zu wollen, kann ich sagen: Afrika ist günstig zu bereisen. Ausnahmen bestätigen die Regel, Ruanda – das Land welches ich derzeit bereise – ist im Vergleich eher hochpreisig, in manchen Dingen teurer als europäische Länder. Aber es geht mir nicht um den absoluten Preis einer Sache. Es geht um den dahinterstehenden Wert. Und hier ist irgendwie etwas falsch im „Schnäppchenland“.

Abzocke

Auf der einen Seite haben wir zum Beispiel Nationalparks mit – nach meinem Empfinden – völlig überteuerten Eintrittspreisen. Warum überteuert? Es steckt kein Wert dahinter! Miserable Straßen, heruntergekommene Campingplätze und Lodges, verdreckt, kein Wasser, Strom oder Internet. Wenn ich dann wie in Tansania fast € 300,- für einen Tag im Nationalpark bezahlen soll, stimmt für mich etwas überhaupt nicht. Die übliche Ausrede „War Corona, da konnten wir ja nichts machen …“ will ich nicht mehr hören. Die Wahrheit ist, das es niemanden interessiert, wenn alles heruntergekommen ist. Aber das Geld, das nimmt man gerne …

Geben und Nehmen

Das andere Extrem sind lokale Märkte und Geschäfte. Obst und Gemüse ist fast unanständig günstig und dabei auch noch von bester Qualität. Manchmal fühle ich mich fast beschämt, wie wenig frische Lebensmittel kosten. Meine simple Lösung: Ich verzichte meist aufs Wechselgeld. Was allerdings auch häufig dazu führt, dass ich dann noch zwei Tomaten mehr in die Tüte gepackt bekomme. Aber wenn der Wert stimmt, egal bei was, bin ich gerne bereit etwas mehr zu geben, um die Ehrlichkeit, aber auch die Arbeitsleistung zu honorieren. So auch an der Tankstelle oder wenn mir jemand meine Einkäufe ins Auto trägt.

Insbesondere wenn ich weiß, das mein Geld der Community oder einem guten Zweck zugutekommt – zum Beispiel in die örtliche Schule fließt -, versuche ich lokal einzukaufen oder zahle halt mal zwei Euro mehr für die Übernachtung. Kann man blöd nennen, ich finde es gut. Muss aber jeder für sich entscheiden. Klar, auch ich verhandele manchmal Preise, meist dann, wenn jemand mit seiner Preisvorstellung über das Ziel hinaus schiesst.

Muss es immer günstig sein?

Komplett zusammenreißen muss ich mich wenn ich höre (oder lese), das Reisende – fast ausschließlich aus der Ersten Welt – etwas unter Wert kaufen, möglicherweise auch noch den eh schon zu niedrigen Preis verhandeln und sich zum Schluss freuen wie ein Keks, das es soooo günstig war. Besser: Einen angemessenen Preis bezahlen (heißt meist einen Euro mehr ausgeben), damit kann ich in der kleinen Welt eines Einzelnen schon etwas bewirken. „Das macht die lokalen Preise kaputt!“. Echt jetzt? Schwachsinn! Wenn mir jemand für drei Euro eine Hose schneidert (schneidert!, nicht verkauft) oder ein Kleid für unter einem Euro (nur Beispiele, soweit ist es noch nicht, dass ich Kleider trage ;-)), dann passt da etwas überhaupt nicht für mich. Wenn ich dann auch noch weiß, das die Familie von meinen zwei oder drei Euro die ganze Woche wieder nur Maisbrei frisst … sorry, dann zahle ich einfach etwas mehr und habe immer noch ein gutes Geschäft gemacht.

Philosophie

„Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.“ Hier in Afrika wird dies häufig ad absurdum geführt. Natürlich betrachte ich dies durch meine europäische Brille. Und sehe somit meist günstige Preise im Vergleich zu Europa. Aber: Ein Geschäft ist immer ein gutes Geschäft, wenn es dies auch für beide Seiten ist. Und da kannste halt ohne schlechtes Gewissen kein Kilogramm Tomaten für 20 Eurocent kaufen. Punkt!

Aber auch hierzu gibt es einen Gegenpunkt. Der mich ebenso richtig nervt. Ich bin nunmal weißer Hautfarbe, sehe daher für viele Einheimische aus wie ein Geldautomat oder zumindest bin ich Millionär. Leider beides falsch, also hört auf mich zu bescheissen. Wir sind alle nicht blöd und wissen das irgendeine Kleinigkeit keine 25,- Euro kostet. Warum probiert Ihr immer wieder einen Monatslohn mit EINER Tätigkeit für mich zu verdienen? Ihr wollt 10,- US Dollar für ein Foto? Leute … echt jetzt? Macht die Augen zu, alles was Ihr dann seht bekommt ihr von mir – nämlich nichts! Weil es unverschämt ist, weil der Wert nicht der Sache entspricht. Die gute Nachricht: Es sind nur die 10-20% Idioten, die man überall auf der Welt findet, die meinen die Bleichgesichter sind dämlich. Gebt mir einen fairen Preis und einen angemessenen Service, dann gebe ich auch Trinkgeld. Bescheisst mich … naja, das kann man sich dann denken.

Was ich tun kann

Ich bin echt nicht der Typ „Weltverbesserer“, kann den Planeten nicht retten und selbst mit dem Kontinent Afrika oder nur einem Land bin ich überfordert. Das funktioniert nicht. Aber bei John, dem Fischer oder Angela, die Tomaten verkauft, bei Peter, der meinen Wagen betankt und Maria, die meine Klamotten wäscht … ja, da funktioniert es. Und das ist gut so. Ich habe dann eben 50 Eurocent weniger in der Tasche. Dafür bekomme ich ein Lächeln und eine Dankbarkeit zurück, die nicht zu bezahlen ist. Manche Dinge sind eben mehr wert, als die Sache an sich …

John Ruskin

„Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften. Es ist unklug zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.“

John Ruskin, Englischer Sozialreformer, 1819-1900

2 Gedanken zu “Der Wert der Dinge

  1. Hi Thomas
    Das Kleid für unter 1 € war ja wohl ich. Ich sehe schon einen Unterschied wo man etwas kauft. Wenn ich in ein Dörfchen gehe, wo es nie einem Bleichgesicht einfallen würde hinzugehen, bzw eine Dienstleistung in Auftrag zu geben, dann bin ich sehr froh, wenn ich eben nicht wegen meiner Hautfarbe einen 10 oder 20 fach überhöhten Preis zahlen muss. Ich fand die Schneiderin super ehrlich und der Preisvorschlag für ihre Dienstleistung kam von ihr und nicht von mir.
    Übrigens habe ich den geforderten Preis zum Abschluss verdoppelt, einfach weil es mir das wert war.
    Ach, und die Wortwahl “Maisbrei frisst” finde ich auch nicht so gelungen. Afrikaner sind keine Tiere. Der Maidbrei ist das Lieblingsessen der meisten Afrikaner, ganz einfach weil sie damit aufgewachsen sind. Und für 1-2 € bekommen sie ganz schön viele Zutaten dazu um ein leckeres Sößchen zu zaubern. Was sie sehr gut und günstig können.
    In diesem Sinne, viel Spaß weiterhin auf deinen Wegen.

    1. Liebe Lilli,

      danke für Deinen Kommentar. Dieser Beitrag schwirrt schon sehr lange in meinem Kopf herum, es brauchte aber etwas „Geburtshilfe“ um ihn zu veröffentlichen.

      Ich nenne Beispiele von Dingen, die nicht meiner Philosophie entsprechen, so wie Beispiele die konform gehen. Mehr nicht. Jeder kann die Dinge sehen wie er will und entsprechend handeln. Wenn Du den Beitrag aufmerksam liest, wirst Du keine Anklage oder „Finger pointing“ sehen, auch keine Positionierung als Retter der Welt. Nur meine Sicht der Dinge, meine Meinung und mein Umgang mit gewissen Gegebenheiten. Alles andere ist Interpretation, die natürlich jedem zusteht.

      Viele Grüße, Thomas

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