Woran merkt man, das man in einem Entwicklungsland lebt? RICHTIG … an der Bürokratie. Wobei es gar nicht schlimm ist, das hier alles etwa 20-30 Jahre zurück ist. Aber es ist vielleicht gerade deshalb auch skuril? Doch beginnen wir mal am Anfang …

Anfang November 2022. Ich habe nun meine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis, der nächste Schritt ist meine wenigen persönlichen Sachen nach Tansania zu bringen. Insbesondere mein Auto. Für meinen Landrover im Wert von ca. $ 8.500,- würde ich rund $ 4.000,- für den Import bezahlen. Ein Wahnsinn. Fällt also aus. Da ich gehört habe, das man als neuer Einwohner, insbesondere als Investor, seine Habseligkeiten kostenfrei ins Land bringen kann, muss es dafür ja einen Prozess geben.

Immer die anderen

Das „Tanzania Investment Center (TIC)“, was eigentlich für sowas zuständig ist, hat keinen Plan und verweist auf den „Tanzania Revenue Service (TRA)“, das Finanzamt. Die wiederum verweisen auf den Zoll. Der ist nicht zuständig, vermutet aber, das TIC zuständig ist. Geil, wieder am Anfang. Immerhin erfahre ich vom Zoll, das ich einen Brief an den „Commissioner of Customs & Excise“ schreiben muss, in dem ich um die Einfuhrerlaubnis bitte. Gut, wird umgehend erledigt. Aber wer macht jetzt was? Zeit, selber im Internet zu recherchieren. Zwei Minuten später weiß ich, das ich eine „Steuer-Ausnahme-Bescheinigung“ brauche, die ich beim TIC beantragen kann. Steht alles auf deren Webseite. Warum das bei der Behörde keiner weiß … weiß keiner. Nach zwei Jahren in Afrika vertraue ich immer noch auf „offizielle“ Aussagen – nix gelernt Herr West.

Okay, fürs Importieren des Landrovers brauche ich jede Menge Dokumente vor allem eine Steuernummer (TIN aka Tax Identification Number) und eine NIDA Nummer, das Äquivalent einer Personalausweisnummer. Laut Internet brauche ich die NIDA Nummer um die TIN zu beantragen. Und die TIN um die NIDA Nummer zu beantragen. Das ist ja ziemlich intelligent gemacht … Quadratur des Kreises, ab sofort ist niemand mehr für gar nichts zuständig. Im schlimmsten Fall reicht ein abgelaufener deutscher Personalausweis vom Nachbar aus Kindertagen. Manchmal fühlt es sich zumindest so an.

Nachdem ich also mit einem freundlichen Beamten vom Finanzamt durch vier Büros getingelt bin, heißt es dann ich kann meine Steuernummer einfach so beantragen. Die Mitarbeiter sind super freundlich … und haben null Ahnung, was sie machen. Ein Mitarbeiter trägt meine Daten in den Computer ein. Speichern. Datenbankfehler. Repeat. Es wird alles erneut ausgefüllt, eine beliebige Adresse in Tansania eingetragen. Warum nicht meine? Korrigieren wir später! Ich „wohne“ nun in einer Grundschule in Sumbawanga statt in der Lake Shore Lodge. Egal. Warum er nur Kfz-Steuer auswählt, nicht Einkommensteuer? Korrigieren wir später. Gut, wenn er das sagt. Ich bin „Non-Resident“, warum er „Resident“ auswählt? Richtig … korrigieren wir später. Speichern. Fehlermeldung. Neustart des Programms. Ich weise freundlich nochmal darauf hin, das es möglicherweise Sinn machen könnte, das Häkchen bei „Non-Resident“ zu setzen, könnte dann ja funktionieren. Er schaut mich fragend an, ich reiße die Augen auf, mache ein freundliches Gesicht, nicke, um ihm zu verdeutlichen das es nichts schadet es zu probieren. Okay, läuft nicht, also frage ich, ob ich es mal probieren darf. „Ja, klar“. Ich übernehme also, gebe alles selber in den Computer ein, klicke die richtigen Felder an, gebe meine korrekten Daten ein. Speichern. „Your data has been saved correctly“. Irre. Ich beantrage meine eigene Steuernummer im System des tansanischen Finanzamts. Der Beamte ist überrascht, aber auch erfreut, das alles nun funktioniert. Jetzt noch Fingerabdrücke, Foto und Unterschrift … zwei Stunden später habe ich mein Steuerzertifikat in der Hand. Rekordverdächtig! Auf dem Zertifikat heiße ich jetzt Thomas EMPTY West. Man hat darauf bestanden, das ein zweiter Vorname eingetragen wird, jeder in Tansania hat einen. Ich aber nicht. Da ich keinen habe wurde halt „Empty“ eingetragen. Gut, ich denke das korrigieren wir später …

Dezember 2022

Da ich immer noch kein Okay für den Import habe, lasse ich mir mit dem Rest etwas Zeit. Ohne Okay komme ich eh nicht weiter. Jetzt brauche ich also noch die NIDA Nummer. Die Behörde in der Distrikthauptstadt Sumbawanga erklärt, das ich das in der Regionshauptstadt Namanyere machen muss, den ich wohne ja in dieser Region. Okay, kann man verstehen.

Also mache ich mich am nächsten Tag die 65 Kilometer Dirtroad auf nach Namanyere. Das Büro ist geschlossen, ein freundlicher Mitarbeiter versucht den Kollegen telefonisch zu erreichen, geht aber niemand ans Telefon. Man drückt mir die Telefonnummer in die Hand und empfiehlt mir 2-3 Stunden zu warten. Vielleicht kommt dann jemand. Vielleicht? Echt jetzt? Also erstmal Mittagessen in der Stadt. Chips Majai, tansanisches Streetfood. Alle lachen sich kaputt, das der Weiße Chips Majai kennt, freuen sich zugleich und so habe ich zumindest ein lustiges Mittagessen. Auch wenn mein Kisuaheli immer noch bescheiden ist.

Zurück bei der Stadtverwaltung ist der Kollege immer noch nicht da. Also warten. Ungeduld ist hier tödlich. Alles was wir gemütlich und langsam machen, machen die hier noch ein wenig langsamer. Weltrekord! 20 Minuten später ist er eingetroffen und ich erkläre was ich brauche. Er braucht den Pass. Check. Und meine Arbeitserlaubnis. Nicht check, die Urkunde wird von der Republik Tansania nicht mehr ausgestellt. Glaubt er nicht, weiß es aber auch nicht genau, also ist es egal. Aufenthaltsgenehmigung? Nope, habe ich auch noch nicht als Dokument. Darauf warte ich seit 2,5 Monaten. Es ist de facto eine ID Card in Kreditkartenform. Aber da ich ehrlich aussehe und Weiße nicht bescheißen, passt es für ihn. Ich glaube sowas kann einem nur in Afrika passieren. Im komplett vollgemüllten Büro sucht er dann irgendwas, drückt mir ein Formular in die Hand. Das muss ich natürlich ausfüllen, aber viel wichtiger von einem LGO unterschreiben lassen. Die lieben echt Abkürzungen. Stellt sich raus, es ist der „Local Government Officer“. Und der für mich zuständige ist in Kipili, fünf Minuten von der Lake Shore Lodge entfernt. Ich erkläre, das ich dann 1,5 Stunden zurück fahre muss. Er lacht und sagt: „Ja!“. Klasse. Ist ja nicht so, das ich nicht mehrfach nach dem Prozess gefragt habe und immer hieß es „Komm einfach vorbei, dann können wir alles fertig machen“. Knallköppe. Ich erlaube mir die Frage: „Habt Ihr zwischen Weihnachten und Sylvester geöffnet?“. „Nein! Aber vom 27.-30. Dezember könnte ich vorbeikommen, da ist offen“. Na, wenn das mal nicht großartige Nachrichten sind! Entschuldigend muss ich hinzufügen, das wir leichte Verständigungsprobleme hatten. Und so tingele ich ein paar Tage später wieder ins NIDA Büro in Namanyere und gebe den Zettel ab. Diesmal hat ein anderer Beamter Dienst, er spricht hervorragend Englisch, entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten, das System ist eben etwas verwirrend und seine Kollegen nicht die hellsten Kerzen auf der Torte. Gut, wenn er das sagt. Es werden wiederholt Fingerabdrücke genommen, Fotos gemacht, der Pass kopiert. Hauptsache umständlich und doppelt und dreifach, dann sind alle glücklich. Wie lange die Beantragung dauert frage ich. Circa 2 Wochen heißt es, ich werde benachrichtigt und kann dann meine gedruckte ID Card abholen. Vier Wochen später bekomme ich auf Nachfrage meine NIDA Nummer per WhatsApp, den Ausweis habe ich jetzt – 10 Monate später – immer noch nicht. Die Behörde hat kein Plastik, um die Karten zu drucken. Nun, rechts und links der Straße liegt genug Plastikmüll rum, das langt um Karten für den gesamten Kontinent zu drucken. Aber ich habe schon lange aufgehört mich zu wundern.

Und die Importerlaubnis für mein Auto? Tja, die wird mir verweigert. Begründung: Ich hätte das gleich bei Erhalt der Arbeitserlaubnis im Oktober 2022 per Schreiben an den „Commissioner of Customs & Excise“ beantragen müssen. Jetzt nach 10 Monaten geht das nicht mehr. Das auf den 08. Juni 2023 datierte Schreiben, ist Anfang September angekommen.

Welcome to Mama Afrika!

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