Unvorhersehbare Ereignisse

Ja, eigentlich dachte ich es gibt vorerst nichts, aber gar nichts zu berichten. So täuscht man sich, den es erwarten mich unvorhersehbare Ereignisse. Gut, da ist natürlich wiedermal etwas passiert, über das man berichten könnte. Aber nein, diesmal war es mir diesen Bericht nicht wert. Doch dann hat ein anderes Ereignis dem ganzen eine Wendung gegeben … also fange ich an zu schreiben. Billiger Whisky und Weißwein, Lagerfeuer, es ist der 07.12.2021, 21:31 Uhr … los geht’s.

Nachdem ich der Serengeti eine Absage erteilt habe, geht es zurück zur Twiga Lodge für eine Nacht, dann weiter nach Moshi. So der Plan. In Usa River noch kurz einkaufen, dann geht es die acht Kilometer Richtung Lodge. Es geht etwas bergauf und … bamm, die Temperaturanzeige im Landy zeigt rot an. Mein digitales Monitoring System zeigt grünes Licht. Okay, anhalten, check. Der Motor hat überhitzt, spontan. Kühlwasser ist nicht mehr vorhanden, ich fühle gut acht Liter nach. Wo ist das Wasser hin?

Während ich kurz vorm Camp stehe kommen Michi und Alex in Ihrem Defender vorbei. Die beiden habe ich einen Tag zuvor im Mikumbani Camp kennengelernt. Kurzer Check, besser nichts riskieren, der Defender schleppt den Discovery ins Camp. Glück im Unglück, die Lodge von Paul und Erika ist zugleich Heimat von Shaw Safaris, Paul ist Mechaniker und spezialisiert auf was? Landrover! Perfekt.

Wieder ein blödes Problem, aber so ist das halt. Aber ich habe einen guten Abend mit Michi und Alex, ich lerne später Anne und Philippe – le_monde_a_2en4x4 – aus Frankreich kennen, die für eine Zeit lang Afrika in Ihrem Landrover Defender bereisen. Einen Tag später ist mein Freund und Overlanderkollege Jay aus Südafrika ebenfalls da. Also nette Gesellschaft und viele Gespräche am Lagerfeuer.

Ich kürze jetzt mal ab. Wir bauen den Motor aus, ersetzen Zylinderkopfdichtung, Wasserpumpe und Keilriemen sowie den Keilriemenspanner. Die Mechaniker Masha und Peter erledigen das in Rekordzeit. Der Motor läuft nach zwei Tagen wieder, Testfahrt. Dauert etwas lang, im Ergebnis: Der Motor überhitzt immer noch. Mist, bis jetzt hat mich der Kram € 800,- gekostet. Und die Karre läuft … nicht!

Brainstorming … kann nur der Motorblock sein, vielleicht ein Haarriss. Schnelle Entscheidung: Wir brauchen einen neuen Motor. Alles andere ist Try and Error. Das ich gerade die Krise kriege ist wohl nicht weiter erwähnenswert. Okay … finden wir halt einen neuen Motor.

Tag vier. Circa 06:00 Uhr. Ich schlafe wie ein Baby und höre im Traum meinen Namen. „Thomas, Thomas … are you there?“. Kein Traum, ich wache auf, höre die Stimme, sehe ein Silhouette vor meinem Zelt in der Dämmerung. Okay, ich träume nicht, da steht Jay, ruft meinen Namen. Ich switche auf Englisch, verstehe: „Ich glaube mein Blinddarm ist gebrochen“ ALARM! Fünf Minuten später sitzen wir im Auto auf dem Weg in ein Krankenhaus in Arusha, nur 20 Kilometer entfernt.

Ein Abenteuer beginnt. Wir setzen Jay in einen Rollstuhl, ohne Reifen, nur die pures Metallräder. Aber läuft. Die Notaufnahme sieht aus wie ein besseres, dennoch heruntergekommenes Gefängnis. Egal. Jay liegt auf der Bahre, jemand erklärt mir, das ich zu irgendeinem Schalter gehen soll. Könnten wir bitte erstmal einen Arzt haben? Ups, das ist die Ärztin. Okay.

Jay wird untersucht, ich warte. Dann werden Medikamente, Infusionen und sowas benötigt. Verständlich. Unverständlich: Ich muss die im Vorfeld bezahlen. Also mit dem Zettel vom Doktor zu Counter 1. Hier wird das Medikament im Computer erfasst und eine ID-Nummer und der Preis auf einen Zettel geschrieben. Ich muss nun zu Counter 2 zum bezahlen. Der ist nur einen Meter entfernt. Kostet aber nur 10.000,- TSH, also ca. vier Euro. Dann den Kram in der Apotheke im Gebäude abholen. Nachdem das erledigt ist und die Erstversorgung begonnen hat, brauche ich erstmal einen Kaffee aus der Cafeteria. Eigentlich mehr eine offene Garküche mit Plastikstühlen sponsored by Pepsi.

Dann zurück, man sucht mich schon, es werden weitere Medikamente gebraucht. Die man ja erst bezahlen muss. Diesmal alles andersherum. Apotheke, Schalter 1, Schalter 2, Schalter 1, Apotheke. 18400,- TSH, in etwa € 7,50. Cash.

Als nächstes: Röntgen und Ultraschall. Und … na klar, muss erstmal bezahlt werden bevor irgendjemand etwas macht. Mist, jetzt wird es teuer. Für mein MRT vor drei Jahren habe ich rund € 700,- bezahlt. Egal, wieder Schalter 1, Zettel mit Preis erhalten, an Schalter zwei bezahlen. Warum bekomme ich eigentlich immer den Zettel und nicht die Kollegin am zweiten Schalter, die sitzt nur einen Meter entfernt. Außerdem arbeiten alle mit dem selben Computersystem, also warum ein handgeschriebener Zettel??? Egal, diesmal sind es 84.000,- TSH, also € 35,- Habe ich nicht in cash – let`s take plastic money. Die Tante sitzt ja vor sowas wie einem Kreditkartenterminal, es steckt eine Visakarte im Gerät. Nope, only cash. Okay, wo ist ein Geldautomat? Außerhalb des Krankenhauses. Wo da? Ja, da halt irgendwo oder in anderen Worten: Keine Ahnung.

Ein guter Moment um auszurasten. Jay liegt in der Notaufnahme, möglicherweise gebrochener Blinddarm – durchaus lebensgefährlich – und man sagt mir in aller Ruhe, das ich erstmal Geld am Automaten holen muss! Wie immer in Afrika, rumschreien bringt nichts und beeindruckt niemanden. Also renne ich los zum nächsten Geldautomaten. ABSA-Bank, Automat eins und zwei sind „out of order“. Wenn ich etwas warte geht einer davon vielleicht wieder. Keine Zeit für so einen Scheiß, also weiter. Automat drei: Out of order. Automat vier: Läuft. Ich kann ein Maximum von 900.000,- TSH abholen. Bingo, wer weiß was noch alles kommt. De facto bekomme ich nur 400.000,- aus der Maschine, egal … im Laufschritt zurück ins Krankenhaus und bezahlen. Erledigt!

Gottseidank sieht Jay schon wieder besser aus, die Medikamente wirken, der Arzt bescheinigt uns später, das es nur eine Entzündung ist. Keine OP nötig. Jay kann schon wieder Sprüche klopfen, scheint also besser zu gehen. Zeit für ein Mittagessen und ein Bier in der Stadt. Der Besuch eines lokalen Krankenhauses kann von der To-Do-Liste gestrichen werden.

Inzwischen ist auf ein neuer Motor gefunden … in Dar-es-allam, gut 10 Stunden Fahrt. Aber: € 1.600,- ist ein guter Preis. Also heißt es wiedermal „no risk, no fun“ – wir wissen ja nicht ob der Motor läuft – und kaufen das Teil. Das führt mich dann direkt zum nächsten Problem: Wie bekomme ich die Kohle nach Dar?

Und wieder taucht ein Engel auf: Hermann. Wir haben uns in Kasama in Sambia kennengelernt. Hermann ist gebürtiger Österreicher, lebt aber schon immer in Tansania. Kurze WhatsApp, ich frage vorsichtig an, ob er vielleicht eine Möglichkeit sieht mir zu helfen. Immerhin kennen wir uns kaum. Antwort: „Wieviel brauchst Du?“. Tja, 4.200.000,- Schilling, circa 1.650,- Euro. Klick, senden. Antwort: „Mehr nicht, kein Problem!“. Puh, läuft. Ich überweise auf Hermanns Konto in den Niederlanden, Herrmann transferiert das Geld zum Verkäufer. Zwei Tage später ist der Motor bei mir in Usa River.

Zusammenbauen, testen, der Motor läuft gut. Echt Glück gehabt. Während die Jungs hier noch an meinem Auto basteln, kommen Colin und Katie aus England auf Ihren Motorrädern an. Katie ist halb Deutsche, spricht mich mit „Ich kenn Dich, bist Du nicht „My trip on the wild side“?“ an. YES, bin ich … Fans – eine verrückte Welt. Es stellt sich heraus, das die beiden unter dem Namen „A spark of madness“ reisen, den Namen kenne ich dann wiederum von Facebook und habe bereits auf deren Seite ein wenig gestöbert. Manchmal ist die Welt echt klein. Die Chemie mit den beiden stimmt von Anfang an und so vergehen die nächsten Tage wie im Flug. Safari njema Euch beiden … traveled safe, wäre cool wenn wir uns irgendwo wiedersehen.

Neun Tage später ist Land in Sicht, der Landy hat einen neuen Motor und hört sich wieder nach V8 an. Und so müsste diese Geschichte wie folgt enden … „Abschied, Aufbruch, es geht zur Küste …“. Tut sie aber vorerst nicht … unverhersehbare Ereignisse eben …

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