Tazara: Nächster Versuch

Okay, beim ersten Mal hat es nicht geklappt. Zweiter Anlauf für Onkel Thomas mit dem Zug nach Sambia zu kommen, also aufgepasst Chief 😉.

Diesmal verlasse ich mich nicht auf das, was mir die Einheimischen sagen, ich verlasse mich auf die Infos, die ich online finde. Muss auch nicht richtig sein, okay. Wie auch immer, am Samstagmorgen geht es gegen 11:00 Uhr zum Bahnhof in Mbeya. Pauly fährt mich. Der Zug soll um 13:23 Uhr abfahren. Wird er nicht, das ist ziemlich klar. Dennoch haben wir schonmal eine grobe Zeit, gibt mir ein gutes Gefühl. Und die Chance, das er zu früh fährt ist null. Nichts passiert in Afrika vor der angegebenen Zeit, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Jetzt heißt es Ticket kaufen, schauen, ob die Jungs auch wirklich eine Reservierung in der 1. Klasse für mich haben (sollten sie … eigentlich) und dann heißt es warten.

Am Bahnhof ist eine Menschenmenge vor einer Tafel versammelt. Ohoh. Steht da jetzt drauf, „Sorry, heute nix Zug“? Gottseidank nicht, es sind die Ankunft und Abfahrtszeiten. 17:00h Ankunft, 19:00h Abfahrt. Was der Zug zwei Stunden auf dem Bahnhof macht … ich werde es heraus finden. Da jede Info hier unzuverlässig ist, geht’s erstmal zum Ticket Schalter:

„Ich hätte da mal eine Reservierung, Kollega“. Keine Zuständigkeit. Nächster Schalter.
„Ich hätte da mal eine Reservierung, Kollega“.
Wieder nichts. Nächster Schalter.
„Ich hätte da mal eine …“
„Is Mr. Thomasi West“ tönt es vom ersten Schalter. Der übrigens circa 1,80m entfernt ist. Wenn überhaupt.

Gut, nachdem wir meine Identität einwandfrei identifiziert haben und ich den Kollegen überzeugt habe, das ich sowohl mein Geburtsdatum wie auch meine Reisepass Nummer auswendig weiß, kann ein Zettel mit meinen Daten ausgefüllt werden. Und ich erhalte mein Ticket. Das kostet jetzt 65.200 Schilling statt 53.000. Schätze es ist den gestiegenen Dieselkosten geschuldet. Sollte man die Internetseite dahingehend aktualisieren?Quatsch, auf gar keinen Fall.

Wann fährt jetzt der Zug wirklich? Diesmal ist der Thomas schlauer, ich verifiziere die Abfahrtzeit auf Kisuaheli. Also, der Zug kommt um 15:40. Aha. Und fährt um 17:00. Hoffentlich. Ich soll um exakt, aber ex-akt (!), um 15:00 am Bahnhof sein. Kriege ich hin. Mission accomplished.

Also zurück zu Pauly, da chillt es sich besser und um 15:00 bin ich dann eben wieder am Bahnhof.

15:40 – kein Zug. Habe ich auch nicht erwartet.

16:30 – ein Zug fährt ein. Könnte das der Tazara sein? Keinen Plan, vermutlich, was sonst. Aus Sicherheitsgründen darf man leider nicht auf den Bahnsteig. So ein Quatsch. Hätte die Einfahrt gerne für meinen Neffen gefilmt. Erst müssen alle Passagiere aussteigen – und das sind einige. Die Türen zum Bahnsteig sind weiterhin verschlossen. Erst wenn alle vom Bahnsteig runter sind, dürfen wir vermutlich einsteigen. Dann sehe ich, das der Zug jetzt erstmal gereinigt wird, okay das passt und erklärte das Prozedere und die Wartezeit.

17:45 und ich sitze immer noch im Bahnhof. Der Tazara transportiert auch Güter, Auf- und Abladen dauert. Ist hier alles Handarbeit und wird mit der Schubkarre erledigt. Aber so langsam könnte man mal in die Hufe kommen.

Eine Stunde später bewegt sich immer noch nichts. Und in 15 Minuten soll der Zug losfahren. Laut Tafel am Eingang. Alle Türen verschlossen, keiner steigt ein. Ich frage mal einen Typen mit Warnweste, wann es losgeht. „Saa tano usiko“. Das ist 23 Uhr. Der meint den Zug nach Dar es Salaam. Ich frage nochmal am Ticketschalter, der Typ spricht besseres Englisch. „Nach Sambia?“ Ja, klar nach Sambia, Du hast mir doch das Ticket ausgestellt und wie viele Weiße sind auf dem Bahnhof? Genau einer! Panik, Tür aufreißen, der Zug steht noch, haraka haraka (schnell, schnell). Ich bin tatsächlich der einzige Passagier von Mbeya Richtung Sambia, deshalb ist niemand eingestiegen. Also schnell rein, eine Minute später habe ich mein Abteil, 30 Sekunden später fährt der Zug los. Glück gehabt. Das wäre ja ein Ding geworden.

Ich habe das komplette Abteil für mich, erwische aber leider den falschen Wagon. Also nochmal umziehen. Der Schaffner bringt mich einen Wagon weiter, Abteil Nummer 7. Auf meinem Ticket steht Abteil 2. Ja, hier ist aber besser, weil an der Grenze viele Leute aus Sambia zusteigen und man weiß ja nie. Sicherheit und so. Naja, und so lerne ich Nikolaus aus Tansania und Pavel aus Polen kennen. Chemie passt, wir reisen also zusammen.

22:35 und somit 3,5 Stunden unterwegs. Wir haben immerhin rund 50 Kilometer geschafft. Macht einen Schnitt von 14 Kilometer pro Stunde oder so. Jetzt sind es nur noch 992 Kilometer bis Kapiri Mposhi. Hurra! Ankunft gefühlt Oktober 2024. Oder später. Aber immerhin gibt es leckeres lokales Essen im Speisewagen: Ugali, Beefstew und Mchicha für € 2,40. Da kannste nicht meckern. Jetzt stehen wir erst mal im Niemandsland und warten – vermutlich – auf einen entgegenkommenden Zug.

Nachts um 01:00 stehen wir immer noch. Der Zug auf den Gleisen und ich im Gang – Zigarettchen rauchen. Irgendso ein Johnny von der Bahn kommt mir entgegen, den frag ich mal was los ist.
„We are waiting for the Lokomotive to come“. Aha. Komisch, als wir in Mbeya vor 6 Stunden losgefahren sind, war vorne am Zug noch eine Lok dran. Was ist denn mit der passiert? Naja, nicht drüber nachdenken, höchstens wundern. So eine Lok verschwindet ja auch mal schnell, wenn man nicht aufpasst.

Um 01:35 macht es dreimal Tuut-Tuuuuut und wir fahren wieder. Nur noch 50 Kilometer bis zur Grenze, denke das schaffen wir in 1-2 Wochen.

Mbeya plus acht Komma fünf Stunden, es ist 03:30 am Morgen und wir haben die weiteren 50 Kilometer bis zur sambischen Grenze geschafft. 100 oder 120 Kilometer in 8,5 Stunden. Wenn Langsamkeit olympisch wird, sind die Jungs immer auf dem Treppchen. Alle raus aus dem Zug, den üblichen Zettel für Immigrations ausfüllen, diesmal ist er in Arial 4 gedruckt – kleiner ging wohl nicht – und Stempel in den Pass. Fertig. Gottseidank ist der Zug fast leer, nach ca. 30 Minuten geht’s weiter zur sambischen Seite des Grenzpostens.

Sambia, easy wie immer. Zettel ausfüllen (auch Arial 4), Pass stempeln, Visum kostenfrei. Dauert trotzdem gut ein Stunde bis wir weiterkommen. Sambia ist aber eine Stunde zurück, also eine Stunde gewonnen. Um kurz vor 04:00 sambischer Zeit verlassen wir den Grenzübergang Nakonde. Und mir fallen so langsam die Augen zu.

07:00. Lalaaaa … Morgenstund` hat Gold im … halt die Fresse! Ich wache etwas gerädert auf, werde zumindest wach, bekomme die Augen aber noch nicht wirklich auf. Immerhin rüttelt der Zug jetzt nicht mehr so. Ein klärender Blick aus dem Fenster zeigt, wir stehen mal wieder. Diesmal an irgendeinem Bahnhof unweit der Grenze. Ich entferne mich endgültig von dem Gedanken, in 24 Stunden im Flugzeug nach Johannesburg zu sitzen. Aber jetzt erstmal Kaffee. Der ist 75 Sekunden Fußmarsch entfernt, vier Wagons nach Süden.

Zweimal Kaffee schwarz, jetzt geht’s besser. Dann sieben Wagons nach Norden, da ist das Ende des Zuges und es darf geraucht werden. Einfach während des Fahrens die Tür aufmachen und fertig. Mach das mal in einem europäischen Zug. Kleiner Smalltalk mit einem der mit einer AK47 bewaffneten Soldaten, die den Zug begleiten. Er tippt – und er hat die Erfahrung – das wir gegen ein oder zwei Uhr nachts in Kapiri Mposhi ankommen. Gibt mir in etwas 3-4 Stunden, um den Flughafen zu erreichen. Kein Problem meint der Kollege, es fahren Busse, zwei Stunden bis Lusaka – easy. Klingt gut, heißt hier aber nichts!

Und so schleichen wir durchs Land, stoppen mal hier und da irgendwo auf der Strecke, erreichen gegen 12:00 Uhr Kasama, die grösste Stadt im Norden Sambias. Nur acht Stunden für circa 250 Kilometer. Wir sind jetzt 17 Stunden unterwegs, davon locker sechs Stunden nur gestanden, haben vielleicht 400 Kilometer geschafft. Mangels SIM Karte gibt es auch kein Internet, ist aber noch auszuhalten. WLAN im Zug ist dann fürs nächste Millennium geplant.

Mpika erreichen wir vier Stunden später. So ab 16:30h sind wir abfahrbereit, fahren aber nicht los. Es wird 18:00 und es tut sich nichts. Dann ruckelt es nach vorne, ruckelt zurück und alles klingt nicht gut. So als wenn irgendwas blockiert. Und so wird die nächste halbe Stunde rumgeruckelt. Stellt sich raus man rangiert, überprüft das Fahrwerk. Was bedeutet, mit einem großen Schraubenschlüssel sanft an die Bremsen oder sowas zu klopfen, zufrieden zu nicken. Technische Kontrolle in Sambia. Beim Klopfen fällt nichts auseinander, heißt dann im Umkehrschluss, es funktioniert.

Aktuelle Gesamtverspätung übrigens derzeit 13,5 Stunden. Wow. Gegen halb sieben geht es dann schon weiter, heißt für Pavel, Nikolaus und mich es ist Bierchen- und Abendessenszeit. Nebenbei rechnen wir nochmal. Es sind laut Fahrplan noch sieben Stunden Fahrt. Ankunft also zwischen 1-2 Uhr nachts. Drei Stunden bis Lusaka Airport, um sieben geht der Flieger, passt. Im Idealfall. Und so tuckert der Tazara durch die Nacht. Das fühlt sich übrigens an, als würdest Du ohne Stoßdämpfer und Federung mit kaputten Reifen offroad fahren.

Vielleicht an dieser Stelle mal ein paar Anmerkungen zum Tazara. Der Zug ist definitiv in die Jahre gekommen, ich würde tippen er hat 40 Jahre auf dem Buckel. Doch die Toiletten/Duschen sind gut, sauber und gepflegt, ebenso die Waschräume mit je zwei Waschbecken. Alle zwei Stunden kommt jemand vorbei und reinigt, auch der Flur wird feucht durchgewischt. Die Getränke sind kalt, beim Essen hat man die übliche Auswahl lokaler Gerichte. Alles sehr schmackhaft und schnell ist man auch. Die komplette „mach mich pappsatt Mahlzeit für 2-3 Euro. Der Oberkellner nimmt im Abteil die Bestellung auf, man zahlt und hat 30 Minuten später eine Mahlzeit im Speisewagen. Am letzten Abend bestelle ich gegrilltes Hühnchen mit Ugali und Salat. Vorher werden sich am Tisch die Hände gewaschen, mein Essen kommt, kein Besteck – wie üblich. Schräg gegenüber deutet einer der Angestellten mit einer Geste an, das man auch Messer und Gabel hat. Ich lache, verneine. Hab ja die Finger. Niemand isst hier mit Messer und Gabel. Der Typ lacht, schüttelt verwundert den Kopf. Der muss sich auch gedacht haben, was ist denn hier los, jetzt essen die Weißen schon wie wir. Tja, Adaption an lokale Gepflogenheiten finde ich wichtig.

Dann eine Mütze Schlaf, drei Stunden oder so. Als ich aufwache ist es 01:00 Uhr. Und wir sind noch ziemlich weit vom Ziel entfernt. Also verabschiede ich mich von meinem Flug nach Johannesburg. 150,- Euro zum Teufel, aber immerhin nur 150.

Um 3:30h wird Meldung gemacht, wir sind gleich in Kapiri Mposhi. Was ein Trip. 30 Stunden im Zug, 1006 Kilometer, 13 Stunden Verspätung. Jetzt noch mit dem Bus nach Lusaka. Müsste drei Stunden dauern, dauert fünf. Weil man probiert einen vollen Bus noch voller zu machen und natürlich im Vorfeld nicht getankt hat. Warum auch.

Und so kommen Nikolaus aus Tansania, Pavel aus Polen und Thomas aus Deutschland ziemlich am Ende an irgendeinem Busbahnhof in Lusaka an. Hier trennen sich unsere Wege, wir tauschen Nummern aus. War trotz allem ein cooler Trip und ein echtes afrikanisches Abenteuer.

Vielleicht mache ich das nochmal die ganze Strecke von Dar es Salaam nach Lusaka. Na, Bock mein lieber Neffe? Onkel zahlt den Zug, Papa muss das Okay geben. Das nächste Mal weiß ich ja, wie man es schlauer anstellt und habe hoffentlich mein Kisuaheli verbessert …

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