Oktober 3, 2024

Tust Du doch! Ja, weiß ich, Du ja auch. Weil Du und ich das können. Jeder kann das, habe ich zumindest mal gesagt/behauptet. Dabei habe ich an Menschen wie Dich und mich gedacht. Manche von „uns“ meinen es nicht zu können, denen rufe ich zu: Doch, auch Du kannst es, es ist keine Sache von Geld, es ist eine Sache von Wollen, der Einstellung. Und dann habe ich jemanden – eigentlich nicht nur einen – getroffen, der mir sagte: „Was Du machst, möchte ich auch mal machen. Ich möchte reisen.“ Und ich habe Ihm wie selbstverständlich gesagt: „Dann mach das doch!“.

Das war die Sekunde, in der ich mir gedacht habe: „Alter, das war jetzt ziemlich blöd!“. Um das mal vorsichtig auszudrücken. „Thomas, Du bist ein Idiot“ ist wahrscheinlich zutreffender. Denn ich schau in das Gesicht des Menschen, der gerade meinen Wagen wäscht und der sich über die vier Dollar so freut, als hätte ich Ihm ein Millionen gegeben. Ich schaue in das Gesicht des Wachmanns auf der Campsite, der froh ist einen Job zu haben in dem er 200,- Dollar im Monat verdient. Wenn überhaupt. Ich schaue in das Gesicht des Gärtners, der Putzfrau, des Kochs. Ich schaue in traurige Gesichter!

Gesichter von Menschen, die Ihr Land, gar Ihre Provinz, Ihr Dorf nie verlassen haben. Weil sie es nicht können. Weil am Ende des Geldes noch zu viel Monat übrig ist. Weil die 50,- Dollar für ein Visum viel Geld sind, weil die meisten sehr lange dafür arbeiten müssen. Und weil die Schule Ihrer Kinder wichtiger ist, als der persönliche Traum.

Ich schaue in sehnsüchtige Gesichter. Sehe Neugier und Interesse, wenn ich von meiner Reise berichte. Ich sehe, das ich beneidet werde, wenn ich von etwas erzähle, was für Dich und mich das normalste der Welt ist. Reisen, in Urlaub fahren, die Welt kennen lernen. Viele von uns können das. Wir tun es wie selbstverständlich. Meistens. Doch das ist es nicht. Und doch beschweren wir uns, wenn die Dusche nicht warm ist, das Klo nicht funktioniert oder wir nicht genug Tiere im Nationalpark sehen und die Straßen in Afrika schlecht sind. Doch dann gibt es diese Geschichten und ich denke mir „Mensch Thomas, hast Du sie noch alle? Hör mal auf zu jammern …“.

„Ich würde gerne mal nach Namibia“, sagt mir Jean-Pierre, der in meiner Unterkunft in Gitega/Burundi das Tor auf- und zumacht. „Das soll toll sein, all die schönen Tiere … das würde ich gerne einmal sehen“. Er strahlt. „Da gibt es auch Elefanten … hast Du Elefanten gesehen?“ Ja, habe ich. Viele. Das wäre eine gute Antwort gewesen. Ich sollte Ihm von den Elefanten berichten. Doch ich antworte „Warum machst Du es dann nicht?“. „Es ist zu teuer und ich habe nicht so ein schönes Auto wie Du. Das kann ich mir nicht leisten“. Mensch, das weiß ich natürlich und dennoch frage ich so etwas Dämliches. Thomas, Du bist ein Arschloch!

Jean-Pierre wird vermutlich nie nach Namibia fahren können, er wird sein Leben mit einem unerfüllten Traum hier in Gitega verbringen. Er wird die schönen Tiere nicht sehen, die Elefanten, er wird weiter von Ihnen träumen. Ich weiß er wird dennoch glücklich sein, wenn er diesen Planeten verlässt. Er hat seine Kinder zur Schule geschickt, vielleicht zur Universität. Er hat eine Uniform, ist ein wichtiger Mann. Er begrüßt die Gäste, ist immer fröhlich. „Ob es mir gut geht, ob ich etwas brauche“, fragt er. Nein Jean-Pierre, ich brauche nichts, aber vielleicht Du mein Freund denke ich mir. Jean-Pierre lacht, mich macht es traurig. „Eines Tages werde ich die schönen Tiere sehen, auch die Elefanten und sie meinen Kindern zeigen“.

Nein, das wirst Du leider nicht. So leid mir das tut. Ich kann Dich nicht zu den Elefanten bringen, vielleicht kann niemand das. Ich kann Dir nicht einmal ein Bild von den schönen Tieren schicken, denn Du hast kein Smartphone. Und dann ziehe ich weiter. „Safari njema“, wünscht mir Jean-Pierre auf Suaheli. Gute Reise. Er lacht. „Grüß die schönen Tiere von mir wenn Du sie siehst, ich komme sie bald besuchen“. Und mir rollt eine Träne über die Wange, als ich Ihn im Rückspiegel winken sehe.

Ich reise. ICH sehe die „schönen Tiere“. Manchmal frage ich mich, warum ich das tue. Vielleicht um Geschichten wie diese erzählen zu können. Geschichten von Menschen die träumen. Von Menschen, die man häufig übersieht. Und von Elefanten …

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