Es ist der 13. Oktober 2021. In zwei Tagen läuft mein Visum aus, ich mache mich auf den Weg zur tansanischen Grenze. Es sind circa vier Stunden Fahrt, alles Asphaltstraße habe ich mir sagen lassen. Von Kasama etwas nach Norden und dann rechts ab. Gut, ist bei mir auf der Karte kein Asphalt, aber die Locals werden es schon wissen. Das es ein Tag voller Überraschungen wird, weiß ich morgens noch nicht.
Vorbereitungen
Erstmal ins Krankenhaus, PCR-Testergebnis abholen. Es stellt sich raus, es gibt kein Ergebnis, die Maschine ist kaputt. In afrikanischen Gelassenheit erklärt man mir, das man nicht wüsste wann die Maschine wieder geht. Egal. Mache ich den Test halt an der Grenze.
Beim Elektroladen im Ort sind die 12 Volt Solar Controller eingetroffen. YEAH! Ich schließe einen neuen Controller an, messe, kein Unterschied zu meinem. Gut, dann keinen Controller kaufen und weiter nach dem Problem suchen. Vielleicht doch die Verkabelung. Auf jeden Fall habe ich Geld gespart.
Straße ist nicht gleich Straße
Um 09:00 Uhr bin ich auf der Piste. Erst Teerstraße, dann 35 Kilometer allerbeste Gravelroad, locker acht Meter breit. Bin mit 70 km/h unterwegs, es läuft. Dann geht es über eine Holzbrücke und danach … Ende mit der schönen Straße. Ab hier nur noch einspurig, buckelig, eng. Es geht offroad weiter: Landrover-Gebiet 😉. Da ich den ganzen Tag Zeit habe, gehe ich es an. Der Tank ist voll, alle Anzeigen im Auto sind im supergrünen Bereich, als wollte mir der Landy sagen „Geil, lass uns Spaß haben“. Das Sambia mich auf eine besondere Art und Weise verabschieden möchte, erfahre ich etwas später.Ein Tag voller Überraschungen
Es ist buckelig, dann wird der Trail enger, ist überwachsen. Es geht nur langsam voran, ca. 25 km/h. Immer wieder auch Cross-Axle Situation (z.B. rechte Vorderrad und linke Hinterrad in der Luft), dann ist die „Straße“ mehr und mehr weggespült. Ich fahre mit den linken Rädern in einer sandigen Spurrille, rechts auf hartem Untergrund. Der Kippwinkel ist schon übel, sind ca. 30 Grad. 45 Grad kann der Landy – ohne Dachzelt, vollen Jerry Cans und insgesamt 200 Kilogramm auf dem Dach. Und dann ist der Höhenunterschied irgendwann doch zu hoch, mein Differenzial setzt auch und das war’s. F-E-S-T-G-E-F-A-H-R-E-N!
Statt 40 Zentimeter runter aus dem Wagen zu klettern, kann ich ebenerdig aussteigen. Ruhe bewahren, Situation abchecken. Sandbleche raus – kein Effekt. Mit der Schaufel die feste Erde wegkratzen, dann unter dem Auto liegend mit dem Taschenmesser die Erde wegkratzen – hilft ein wenig. Aber nicht genug damit sich die Karre bewegt.Ein Tag voller Überraschungen
Was haben wir denn noch so in der Trickkiste? Die Winde zum Beispiel. Also Tree Trunk Protector raus und mittels starker Abschleppöse (Shackle) die Winde befestigt. Winch Blanket drüber – Sicherheit geht vor. Fünf Minuten später ist die Karre aus dem Dreck. Aber: Hat insgesamt eine Stunde gedauert. Alles einpacken, weiter geht es …
Doppelt hält besser
… und zwar ziemlich genau einen Kilometer. Maximal. Der Trail ist wieder halb weggespült, links geht es etwas steil hoch, ich denke an meinen Kippwinkel, fahre nicht zu weit links … und rutsche mit dem rechten Vorderrad in ein tiefes, tiefes, tiiiiiieeeeefes Loch. Aus und vorbei, nichts geht mehr! Situationscheck: Vorne rechts im Loch, hinten rechts okay, links beide Reifen mit wenig Bodenhaftung. Trotz Differenzialsperre bewegt sich nur das Rad vorne rechts, was keine Traktion hat. Seltsam. Die Traktionskontrolle greift auch nicht, Winde fällt aus – kein Baum in der Nähe. Dann erstmal eine Zigarette rauchen.
Während ich mich noch nicht zwischen Heulen und Fluchen entscheiden kann, höre ich eine Glocke. Da muss also ein Dorf in der Nähe sein. Ich hupe SOS. Nicht, das hier jemand damit vertraut ist, aber egal. Hauptsache hupen. Und tatsächlich, ich sehe zwei Gestalten auf mich zukommen. Die beiden Jugendlichen erfassen die Situation, wissen aber wohl auch keinen Rat. Außerdem sprechen die Bemba, ich nicht. Klasse! Während die beiden auch keinen Rat wissen, versuche ich den Wagen mit dem Highlift Jack anzuheben. Dann Steine unter den Reifen, weiterfahren. Hat in den Drakensbergen in Südafrika auch geklappt. Hier nicht, zu wenig Platz zum hochpumpen. Währenddessen wird Hilfe aus dem Dorf geholt. Wir versuchen es mit dem Bottle Jack. Geht auch nicht. Erde wegschaufeln, Sandbleche unters Rad, sechs Männer schieben von vorne, ich komme im Rückwärtsgang raus. Geil. Schnell wird noch eine Umfahrung gesucht, dann stehe ich wieder auf der Piste.
Ich habe leider nicht einen Kwacha in der Tasche, mit US Dollar können die Jungs nichts anfangen. Also spendiere ich meine letzten beiden Biere, Schokolade für die Kids, meine alten FlipFlops, ein T-Shirt und eine Schachtel Zigaretten. Mein Rettungsteam bedankt sich, ich mich auch vielmals. Immer wieder toll wie aus dem Nichts Hilfe auftaucht und alle sofort anpacken. Auch wenn man nicht die selbe Sprache spricht.
Geschafft!
Um 17 Uhr – nach acht Stunden Fahrt – sehe ich das gelobte Land: Die Teerstraße. Man kann es einen beschissenen Tag nennen, ich nenne es eine weitere gute Erfahrung, die mich wiedermal um einiges weiterbringt. Jetzt noch 70 Kilometer bis zum Kalungu Kings Guesthouse, wo ich in der Dunkelheit gegen kurz vor sieben ankomme. Der Empfang ist herzlich, ich bin der einzige Gast. Das Chalet ist sehr schön, kostet 17 USD. Ich zahle die Hälfte, weil gerade renoviert wird. Finde ich super. Jetzt noch eine heiße Dusche, es wird Lagerfeuer für mich gemacht, ich öffne die letzte Flasche Wein und schreibe diese Zeilen. Morgen geht es dann über die Grenze nach Tansania. Was für ein Tag voller Überraschungen …