Nördlich von East London bis hoch nach Port Edward zieht sich die sogenannte „Wild Coast“, früher zu Zeiten der Apartheid auch Transkei genannt. Auch heute ist der Begriff Transkei noch lebendig, aber „Die wilde Küste Südafrikas“ finde ich passender.
1000 Kilometer bis zum Meer
Von den Drakensbergen im Norden zieht es mich zurück an die Küste. Es ist ein langer Ritt, aber dann sind es nur noch 80 Kilometer von der N2 an die Küste nach Lumbanzi, meinem ersten Stop. Oder anders gesagt: Nur noch 2,5 Stunden endloser Fahrerei. „Du musst die Wild Coast gesehen haben, der Wahnsinn“, habe ich immer wieder gehört. War richtig, es ist wahnsinnig viel Fahrerei über wahnsinnig schlechte Straßen. Und es geht mir wahnsinnig auf den Keks, so das ich am Liebsten wahnsinnig gerne wieder umdrehen möchte. Und die Landschaft ist auch nicht der Wahnsinn . Schön, ja … aber wenn man die beeindruckenden Gipfel der Drakensberge gegen Hügel eintauscht, haut einen das nicht gerade aus den Socken. Außerdem wurde ich mehrfach gewarnt, das die Gegend eher unsicher ist. Heißt hier wird alles geklaut, was man klauen kann. Im ungünstigsten Fall das Auto. Da freue ich mich ja gerade doppelt wahnsinnig auf die Gegend und warum ich trotzdem weitergefahren bin, weiß ich bis heute nicht.
Wild Lumbanzi
Auf Empfehlung bin ich auf dem Weg zum Wild Lumbanzi Backpackers. Ich verpasse aber nach gefühlten 352 Stunden auf der Piste und endlosen Kilometern (immer noch: ca. 80 Kilometer) die Abzweigung, bin auf einmal offroad auf nassem Gras und Matsch am Hang unterwegs. Jetzt links wegrutschen wäre blöd, 20 Meter weiter geht’s steil in den Indischen Ozean. Da ich mein Ziel aber schon sehe, entscheide ich mich gegen rund 15 Kilometer zurückfahren und dafür in Low Gear, also Geländegang, mich die Hügel runterzukämpfen. Das Backpackers ist auf der anderen Flussseite, auf meiner Flußseite ist aber ein cooler Platz fürs Wildcampen direkt am Strand. Da der Landy heute keine Lust mehr auf Flussüberquerung hat, bleibe ich einfach hier. Spart auch Geld. Manchmal ist es doch nicht schlecht vom Weg abzukommen.
Ich verbringe einen relaxten Abend am Strand, morgens kommt dann Owen, der nach Austern sucht vorbei und so habe ich frische Austern zum Frühstück. Natürlich zockt er mich ab … nachgerechnet: Er hat mich um ca. € 2,- beschissen.
Coffee Bay
Es geht weiter nach „Hole in the Wall“, weil man dort das Loch in der Wand besichtigen kann. Netter Strand, nette Gegend und ein Felsen im Meer mit einem großen Loch in der Mitte. Naja. Den kleinen Spaziergang zum „Loch“ kann man entspannt selber unternehmen, ich unterstütze mal wieder die Einheimischen und gebe R100,- aus damit Joseph aufs Auto aufpasst und Warren mich begleitet und mir die Gegend zeigt. Why not?
Das große „Loch“ ist schon nicht soooo spektakulär, daher schenke ich mir das nahegelegene „little hole“ und fahre weiter nach Coffee Bay. Aus einer Nacht im „Coffeeshack Backpackers“ werden dann komischerweise drei Nächte. Der Ort hat irgendwie einen coolen Vibe. Alle sind relaxt, null Stress. Vom Backpackers zu meiner Hütte muss ich einen kleinen Fluss durchlaufen, durchfahren ist verboten: Naturschutzgebiet.
Letztendlich sind es wieder die Menschen, die den Ort ausmachen. Da sind Ryan und seine Frau aus San Diego / Kalifornien, die zu Fuß seit 4 Jahren mit dem Rucksack die Welt bereisen. Da sind die Brüder Blair und Peter, die gestohlene Autos aus ganz Afrika zurückholen, da ist Jerry an der Bar und die nicht namentlich bekannte Köchin mit dem „Mario Götze“ Trikot der deutschen Nationalmannschaft.
The Kraal
Aber es muss weitergehen. Nächstes Ziel: The Kraal. Liegt ca 45 Kilometer südlich von Port St. John an der Flußmündung des Sinangwana. Die Empfehlung haben mir Sara und Peter gegeben, mit denen ich im Mountain Zebra Nationalpark unterwegs war. Die letzten 2-3 Kilometer Straße … hmmm, eher Feldweg oder eher was davon übrig ist, sind so ziemlich das mieseste was ich seit langem gefahren bin. Aber solange die Locals da mit nem Golf oder Corolla langfahren ist eigentlich alles gut. Trotzdem eine üble Nummer.
„The Kraal“ ist ein ziemlich cooler Spot. Das Backpackers ist 100% „off the grid“, heißt Strom aus Solarzellen, warmes Wasser zum Duschen gibt es nur mit Holzfeuer („Donkey“). Alles sehr Basic, aber auch cool und echt charmant. So wie auch Sam, die das Backpackers managt. Mit Francois und Tania (Freunde von Sam aus Port St. John) und natürlich Sam verbringe ich den Nachmittag am Strand, rauche und trinke irgendwie zu viel und so geht Tag eins ruckzuck rum. Nach drei gechillten Tagen mit zu viel Bier und Ganjia geht die Reise weiter ins Amapondo Backpackers in 45 Kilometer entfernte Port St. John.
Port St. John
Port St. John (PSJ) ist eine richtige afrikanische Kleinstadt, eher ein Dorf. Das Leben spielt sich im Umkreis von 200 Metern um den Spar-Supermarkt ab. Kleine Marktstände, Shops, alles typisch chaotisch Afrika. Es ist laut und hektisch, was ich als dreckige Rumpelkammer identifiziere ist dann doch ein Friseur oder ein Nagelstudio. Ich mag`s irgendwie. Und während ich mich mittlerweile daran gewöhnt habe in dreckigen Shorts und seit einer Woche mit dem selben T-Shirt rumzulaufen, sind hier alle sauber, ordentlich und gepflegt gekleidet. Naja, fast alle. Ich bin halt immer noch im ärmsten Teil Südafrikas.
Das Wetter in den zwei Tagen in PSJ ist bewölkt und regnerisch. Eigentlich eine gute Zeit sich mal wieder um Post, Überweisungen und anderen Papierkram zu kümmern. George vom Amapondo empfiehlt mir jedoch gerade jetzt mir die nahegelegenen Magwa-Falls, Angel- und Fraser-Falls anzuschauen, da die Flüsse aufgrund des Regens viel Wasser führen und das Schauspiel beeindruckender ist. Recht hat er, die Magwa-Falls stürzen 142 Meter in die Schlucht hinab und trotz trübem Wetters und dichter Gischt ist das mal wieder so ein besonderer Moment und ein toller Anblick. Außerdem war es mal wieder ein geiler Spaß mit dem Landy im Geländegang durch tiefen Matsch zu pflügen. Sechs Stunden später bin ich zurück und der Landy ist einmal komplett mit Schlamm überzogen. Schützt aber den Lack und waschen ist hier echt überbewertet.
The Kraal – nocheinmal
Nach zwei Tagen PSJ geht’s zurück zu „The Kraal“. Ein Fernsehteam aus Kapstadt kommt vorbei und die Managerin Sam hat mich gebeten sie ein wenig zu unterstützen. Habe ja jede Menge Zeit, also warum nicht. Ich bleibe dann insgesamt 10 Tage, helfe beim Catering für eine Promotion des neuen Ford Ranger und übernachte dafür kostenfrei. Fairer Deal finde ich. Rückblickend anstrengende, aber auch sehr schöne Tage die ich mit Sam und Ihrem Team verbracht habe.
Mdumbi Beach
Nächster und letzter Stop an der Wild Coast: Mdumbi Beach. Hier treffe ich Wolfgang und Verena von „Gritschontour“ wieder. Eigentlich auch Freesie aus den europäischen Überschwemmungsgebieten, sprich Niederlande. Die fährt als Frau alleine in Ihrem Landrover durch Afrika, Respekt! Aber manchmal sind Zahnarzttermine wichtiger als relaxen am Strand und so ist von Freesie nichts zu sehen. Aber die Welt ist ja ein Dorf und so gilt der alte Spruch aller Reisenden: „See ya on the road someday“.
Wir verbringen wieder mal eine coole entspannte Zeit, bevor ich die Küste verlasse und mich weiter nach Norden treiben lasse …
Fazit
Die wilde Küste Südafrikas ist schon ein besonderes Fleckchen Erde. Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt unsicher gefühlt, alle Menschen sind super nett und hilfsbereit. Klar geht es einem auf den Keks, wenn man – gerade als Weißer – ständig angequatscht wird. Aber letztendlich wollen alle nur ein wenig Geld verdienen und sind nicht böse, wenn man mit einem Lächeln und einem freundlichen „hayi enkosi“ ablehnt.
Wer auf wilde Küstenlandschaften, grüne Hügel und einsame Strände steht, dem empfehle ich auf jeden Fall mal ein paar Tage hier zu verbringen. Es gibt Gottseidank keine großen Hotels oder Ferienanlagen, die gesamte Küste ist wenig touristisch erschlossen und so trifft man hier eher Südafrikaner statt ausländische Touristen.
Fazit: Die wilde Küste Südafrikas war dann doch ziemlich cool, ich fand’s wahnsinnig schön und komme gerne wieder, um noch einige andere Spots zu entdecken.