Es ist einigermaßen verrückt, aber gerade jetzt kommt mir eine Erinnerung in den Sinn. Etwas, was ich vor 15 Monaten in Namibia erlebt habe. Besser: Gesehen habe.
Noch besser: Erleben durfte.

Ich weiß nicht, warum ich gerade jetzt an diesen Moment denken muss. Es ist eine schöne, warme Erinnerung. Vielleicht habe ich sie eine Zeit lang vergessen, zumindest habe ich nie darüber geschrieben. Der Moment war einfach weg. Die damalige Geschichte habe ich erzählt, diesen Moment jedoch ausgelassen. Wissentlich? Unwissentlich? Ich weiß es nicht.

Vor 15 Monaten

Wer diesen Blog von Anfang an verfolgt, weiß das ich im Oktober 2020 vier Tage im Norden Namibias im sogenannten Kaokaveld stecken geblieben bin. Vier Tage im Canyon verreckt. Es war ein herausfordernde Situation. Irgendwie musste ich da raus, Ideen entwickeln, einen Plan machen. Ich habe in dieser Zeit mein Camp nicht aufgebaut, im Auto auf dem Fahrersitz geschlafen, kaum gegessen, nicht gekocht. Es war nicht lebensgefährlich – noch nicht, bedrohlich … ja, wahrscheinlich. Vielleicht kreisten diese Gedanken in meinem Kopf und deshalb habe ich es mir dort nicht gemütlich gemacht.

Erinnerungen trügen

Ich kann nicht mehr sagen, an welchem Tag es war, meine Erinnerung trügt mich. Die Sonne ging unter, doch die Nacht war hell. Vollmond. Keine Wolken. Wenn Ihr jetzt die Augen schließt, seht Ihr vielleicht das Bild, könnt ein wenig in diesen Moment eintauchen.

In der Ferne sehe ich eine Silhouette durch die Windschutzscheibe. Ich steige aus, konzentriere mich, sehe in der Tat jemanden. Etwas? Ich höre eine Stimme, höre genauer hin. Ist es Gesang? Ein Gebet? Die Worte verstehe ich nicht, doch es hat etwas friedliches. Es ist freundlich, liebevoll. Ich schaue genauer hin, versuche es zumindest und erkenne eine Person, nein einen Schatten in der Nacht.

Schatten

Der Schatten steht im Flussbett, hebt die Arme. Lässt sie langsam nach unten gleiten als wolle er mit seinen Händen über seinen Körper streichen. Kopf, Brust, Bauch. Er streckt die Arme von sich, erhebt sie erneut dem Vollmond entgegen. Ich höre wieder Gesang, sanft und ruhig, melodisch und schön. Es ist eine fremde Sprache, Himba, die Sprache der Einheimischen. Es klingt wie ein Gebet, ein Ritual. Der Schatten spricht zu seinen Ahnen, bittet vielleicht um reiche Ernte, Gesundheit, sucht einfach nur Rat bei denen die vor ihm da waren: „Seht mich, ich bin hier, wasche mich rein, so wie es seit tausenden Jahren geschieht. Ich bin es der Euch, meine Ahnen, um Rat fragt, Euch bittet mich zu erhören“. Sind das die Worte? Ich kann es nicht sagen. Aber es ist wunderschön, friedlich und berührend.

Ich beobachte den Schatten, lausche dem Gesang. Ich tauche ein kleines, kleines bisschen in seine Welt ein. Wieder und wieder erhebt er die Arme zum Himmel, ich meine Wasser über seinen Körper rinnen zu sehen. Ein Ritual der Reinigung? Eine Verschmelzung mit den Elementen? Was für ein Moment. Es ist besonders, ich darf Teil davon sein. Es gibt mir Ruhe und Frieden in dieser lebensfeindlichen Umgebung. Mehr noch, es gibt mir Zuversicht für den nächsten Tag.

Stille

Dann wird es still. Der Schatten verschwindet in der Dunkelheit. So wie meine Erinnerung am nächsten Morgen schwindet. Es bleibt ein Traum, den ich nicht geträumt habe. Ein Schatten in meiner Erinnerung. Doch jetzt ist da wieder Licht und ich sehe alles nochmals hell erleuchtet vor mir. Wie schön. Wie berührend. Ein einzigartiger Moment, den ich jetzt – wo ich wieder daran denke – teilen möchte …

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