Erlebnisse im Hinterland

Manchmal überrascht mich Afrika. Ja, wirklich! Nach 16 Monaten Roadtrip in Afrika habe ich schon einiges gesehen, auch manch Erstaunliches. Und dennoch … gelegentlich sind es die Erlebnisse im Hinterland, die mich staunen lassen. Zeit für ein paar Gedanken …

Südwärts

Ich verlasse Moroto im Nordwesten Ugandas am frühen Morgen. Es gibt hier zwar einiges Kulturelles – die Karamoja Kultur – zu entdecken, aber danach steht mir gerade nicht der Sinn. Ist eh ein bißchen wie die Massai-Kultur, nur etwas anders. Also fahre ich zurück nach Jinja, an die Quelle des Nils. Es verspricht ein langer Tag auf Ugandas Straßen zu werden, insgesamt werde ich sieben Stunden benötigen.

Von Moroto bis Soroti sind es 157 Kilometer gut ausgebauter Teerstraße. Ich brauche dennoch drei Stunden. Geschwindigkeitsbegrenzung 50 km/h alle paar Kilometer. Dann geht es bei Kumi von der A109 rechts runter. Quer durchs Hinterland ist kürzer, als den Highway nach Süden zu nehmen. Auf meiner Karte ist die Strecke als Dirtroad gekennzeichnet, könnte also etwas holprig auf der Piste werden. Aber es ist kürzer, spart Benzin und ob ich nun 40 km/h über Piste oder durchschnittlich 50 km/h über den Highway fahre … es spielt keine Rolle.

Die Abkürzung

Also rechts ab, rauf auf die Piste. Hallo Schlaglöcher, ich komme. Nach etwas 500 Metern dann links ab … auf eine brandneue Teerstraße. Wow, hätte ich nicht erwartet. Und da steht auch das Schild der Glückseeligkeit: 90. Erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Schafft der Landy. Jetzt mag man sich fragen: Was ist jetzt so toll an einer Teerstraße? Nun, man trifft sie in diesen Breiten nicht häufig an und wenn in einem mittelmäßigen bis schlechtem Zustand.

Zur Erinnerung: Hinterland, keine Städte, kein Tourismus, keine Sehenswürdigkeiten. Aber eine piekfeine Teerstraße. Mit ordentlichem Seitenstreifen, wie mit dem Lineal gezogen. Nicht dieser ausgefranste, schlaglochbehaftete Mist, den man sonst überall (!) hat. Inklusive Leitplanke. Bürgersteige in den kleinen Dörfern. Gemauerte Wasserrinnen rechts und links der Fahrbahn. Aufgeschüttete Erde, die in ein paar Monaten ein Grünstreifen wird. Und: Keine häßlichen Speedhumps, diese miesen Huppel auf der Straße mit denen man sich das Fahrwerk kaputt macht, wenn man ein wenig zu schnell ist.

Überraschung, Überraschung

Überraschenderweise: Es liegt kaum Müll herum. Teilweise gar keiner. Normal für Europa, außergewöhnlich für Afrika. Normalerweise ist der Fahrbahnrand voll mit Müll. Über hunderte von Kilometern. Hier – kaum etwas. Gibt es da einen Zusammenhang zwischen Infrastruktur und Müllaufkommen? Helfen ordentliche, gepflegte Straßen, das Mindset der Menschen zu ändern und nicht alles (und ich meines ALLES) in die Umwelt zu schmeißen?

Zusätzlich gibt es übrigens befestigte Mittelstreifen und: Tadaaaa … Straßenlaternen. Das habe ich glaube ich seit Südafrika nicht mehr gesehen. Nach rund 50 Kilometern (die ich in – Yeah! – 35 Minuten schaffe) komme ich in Pallisa an. An einem Kreisverkehr. In der Mitte ein kleiner Obelisk, darunter eine große Aufschrift: „Arab Constructions“. Aha, daher weht der Wind. Diesmal war wohl nicht der Chinese am Werk. Ob da wirtschaftliche Interessen (Welche? Hier gibt es ja nichts) dahinter stecken? Oder unterstützet man die weitestgehend muslimische Bevölkerung? Keine Ahnung.

Afrika ist gleich ums Eck

Doch Afrika ist nie weit. Links ab im Kreisverkehr geht die Premiumstraße weiter. Ich fahre aber geradeaus. Sofort hört die Straße auf! Ersatzweise gibt es hier eine von Schlaglöchern überseht Erdpiste. Es gibt wieder dreckige Bretterbuden, schmierige Garküchen und – wenig überraschend – Berge von Müll. Dafür muss ich keine 20 Meter fahren. Ist doch erstaunlich wie nah diese beiden Welten beieinander liegen. Innerhalb von nicht mal 10 Sekunden kann man hier von der Ersten in die Dritte Welt reisen. Heißt für mich umdrehen, Teerstraße.

Es geht vorbei an ordentlichen Schulen, Kindern in farbenfrohen Shirts. Gelb, Pink, Blau … jeder Schule hat Ihre eigene Farbe. Gepflegter grüner Rasen, Fußballtore für die Kids. Freundliche Afrikaner, die mein Auto bestaunen, winken. Polizisten, die mich durch Straßensperren winken: „Hallo, wie geht’s? Ich wünsche Dir einen guten Tag“.
„Asante sana, habari za asubuhi?“
„Mzuri, asante“.

Kein Wunderland mehr

Und dann kommst Du zurück auf die Hauptstraße, die Autobahn, die A104. Hauptverkehrsstraße nach Kenia. Und es ist wieder dreckig, voller Müll, laut. Jeder fährt wie er will. Seitenstreifen? Fahrbahnrand? Fehlanzeige! Es gibt wieder Speedhumps, der Verkehr schleicht mit 20 km/h dahin. Chaos pur. Ich verstehe das nicht wirklich.

Und während ich für die 38 Kilometer bis Jinja nun über eine Stunde brauche, denke ich mir „Mensch Alice, was war das doch schön da eben im Wunderland“ …

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