Ich habe die Jahre gezählt und festgestellt, dass ich weniger Zeit habe, zu leben, als ich bisher gelebt habe.

Gleich einem Pferdegespann ziehen wir mit Scheuklappen die Last eines Lebens hinter uns her, laden ab und wieder auf, versuchen ein Ziel zu erreichen, schneller und schneller muss es vorangehen. Mehr. Besser. Effektiver. Unendlich angetrieben von der Maschinerie, dem „das macht man halt so“. Strukturen, über Generationen gelernt, verändert und doch im Kern gleich geblieben sind uns in die Wiege gelegt.

Doch ich habe keine Zeit. Keine Zeit weiter nur ein Rad zu sein. Keine Zeit einen schweren Karren durch mein Leben zu ziehen. Keine Zeit für endlose, immer wiederkehrende Mechanismen des Alltags. Routinen, sie machen unfrei, gebähren Sklaven einer unendlichen Eintönigkeit.

Ich habe keine Zeit mehr, Menschen zu ertragen , die ungeachtet ihres Alters nicht gewachsen sind. Ich habe keine Zeit mehr, mit Mittelmäßigkeiten zu kämpfen. Keine Zeit mehr das Grau zu erleben, mich zu fragen, ob mir die Farben des Lebens irgendwann zufällig begegnen. Ich will sie sehen, erleben, spüren wie sie mich durchdringen, mich erwachen lassen, den Geist öffnen. Ich möchte Sehen. Ich will Farben.

Meine Zeit ist zu kurz um Überschriften zu diskutieren. Sie rennt. Gleich einem Zug zieht sie in rasender Geschwindigkeit an mir vorbei. Ich möchte nicht zuschauen, wie sie schneller und immer schneller läuft, verrinnt wie Sandkörner im Stundenglas. Ich will das Wesentliche, denn meine Seele ist in Eile.

Ich möchte mit Menschen leben, die mich glücklich machen. Menschen, die über ihre Fehler lachen können, die aufstehen, wenn sie fallen. Menschen, die nicht fragen, ob man Dieses und Jenes darf, die tun, machen, etwas wagen und von Ihren Geschichten erzählen. Wahnsinnig, verrückte Geschichten, wie ich sie schon so oft auf meiner Reise hören durfte. Es ist das, was das Leben lebenswert macht.

Ich möchte mich mit Menschen umgeben, die es verstehen, die Herzen anderer zu berühren. Menschen, die durch die harten Schläge des Lebens lernten, durch sanfte Berührungen der Seele zu wachsen. Für alles andere habe ich nicht mehr genug Zeit.

Ja, ich habe es eilig, ich habe es eilig, mit der Intensität zu leben, die dieses Leben verdient hat. Das Mark des Lebens einsaugen, es inhalieren, durch mich strömen lassen bis in die letzte Faser meines Körpers, des Geistes, der Seele.

Ich versuche, keine der Süßigkeiten des Lebens, die mir noch bleiben, zu verschwenden. Ich bin mir sicher, dass sie köstlicher sein werden, als die, die ich bereits gegessen habe.

Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt, wenn du erkennst, dass du nur eins hast.

Es hat begonnen …

Inspiriert durch einen Text von Mario de Andrade (San Paolo 1893-1945)

3 Gedanken zu “Meine Seele hat es eilig

  1. Perfect perception to life and more importantly to the future.
    I wish we could be taught at school how to live life to the fullest, and refuse the rat race. We should not live to survive but survive to have the time to live life 100% doing things that give us joy, peace and serenity.
    Looking forward to meeting up, at least we defo have the same mind frame.

    1. Hey Christine, thx so much for your words. Sometimes I feel like I have to publish what’s spinning in my mind … good to know that there are „others“ like me on our tiny planet. Sure we`ll catch up again, I’m still two more months in Tanzania

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